Samstag, 12. August 2017
Organe der Rechtspflege ...
... sind Richter und Rechtspfleger als Vertreter der Judikative, daneben Staatsanwälte, Gerichtsvollzieher, Notare, Urkundsbeamten der Gerichtsgeschäftsstellen und Justizverwaltungsangestellte als Vertreter der Exekutive und Rechtsanwälte als unabhängige Vertreter eines freien Berufes. Dass Richter und Rechtsanwälte mehr eint als trennt, war bereits im letzten Beitrag zu lesen. Der Recht suchende Bürger ist kein Organ der Rechtspflege, sondern vielmehr das Wasser auf den Mühlen der Justiz. Er setzt die Mühlen in Gang, indem er sein Recht zu suchen bzw. zu verteidigen gezwungen ist. So wie die Organe des menschlichen Körpers ohne Wasser nicht funktionsfähig sind, sind auch die Organe der Rechtspflege ohne den Recht suchenden Bürger nicht funktionsfähig. Warum haben wir Bürger dann so oft das befremdende Gefühl, vor Gericht um unser Recht betrogen worden zu sein? Der Betreuungs- und Nachlasskirmi um meine Mutter ist ein klassisches Beispiel dafür, in welchem Ausmaß der Korpsgeist, der im Verbund der Organe der Rechtpflege sein Unwesen treibt, die Unabhängigkeit der Justiz gefährdet.

Im Betreuungsverfahren herrscht Anwaltszwang. Kritiker sind der Ansicht, der Anwaltszwang sei nicht mit Art. 103 GG vereinbar. Befürworter argumentieren, nur ein Anwalt sei in der Lage, dem juristisch unverbildeten Laien vor Gericht eine Stimme zu verleihen und Gehör zu verschaffen. Wenn die ureigenste Angelegenheit des Recht suchenden Bürgers jedoch nur im trauten Zwiegespräch zwischen Richter und Anwalt verhandelt wird, das zwar unter dem Deckmäntelchen der Öffentlichkeit im Gerichtssaal stattfindet, aber aufgrund des Juristenlateins jedem Nichtjuristen unverständlich bleibt, läuft etwas gründlich schief in unserem Rechtsstaat. Solange er nicht beleidigend wird, darf auch der Recht suchende Bürger vor Gericht reden, wie ihm der Schnabel gewachsen ist,. Es gibt sogar ein BGH-Urteil, dass sich Richter die Art und Weise gefallen lassen müssen, in der sie von den vor ihnen stehenden Menschen angesprochen werden, selbst wenn diese zu Temperamentsausbrüchen neigen und die Dinge beim Namen nennen. Das, was sie in ihren eigenen Worten über ihren eigenen Fall sagen wollen, muss nicht von einem Anwalt mühselig in Juristenlatein übertragen werden, damit der Richter sie versteht. Sie dürfen sein und reden, wie sie eben sind. Das gehört zum grundgesetzlich geschützten Persönlichkeitsrecht.

In Deutschland sind knapp 165.000 Rechtsanwälte zugelassen. Einen davon für Ihr Problem zu finden, dürfte daher das geringste Problem sein. Es gibt natürlich solche und solche. Geld wollen sie alle. Zunächst einmal verlangen sie sofort einen saftigen Vorschuss. Wenn Sie nicht zahlen können, nehmen diejenigen, die sich bereits einen gewissen Ruf erarbeitet haben, das Mandat garnicht erst an. Die anderen, die noch nicht so weit sind und Kapazitäten frei haben, schlagen einen Prozesskostenhilfeantrag vor. Er ist mühsam, denn Sie müssen alles belegen, und kann vom Gericht jederzeit abgelehnt werden. Die Begründung erfolgt in unverständlichem Juristenlatein, das Ihnen Ihr Anwalt nicht erklären wird, weil Sie ihn ja nicht bezahlen können.

Aber wir wollen nicht gleich zu Beginn den Teufel an die Wand malen, sondern annehmen, dass Sie einen Anwalt gefunden haben. Und schon stehen Sie vor dem nächsten Hindernis. Der Anwalt muss seine kostbare Zeit in Sie und ihr Problem investieren. Nehmen Sie daher nicht zuviel davon in Anspruch und geben Sie sich nicht der Illusion hin, er würde sie Ihnen wegen Ihrer schönen blauen Augen oder wegen Ihres hübschen kleinen Problems schenken. Vergessen sie vor allen Dingen eines nicht: Er wird sein Honorar auch dann bekommen, wenn er a) an Ihrem Fall herzlich wenig interessiert oder b) davon überfordert ist und deshalb c) Ihren Prozess in den Sand setzt. Unterschätzen Sie niemals die ganz reale Gefahr, dass sich Ihr Anwalt aus Standesgründen mit dem Richter mehr verbunden fühlt als mit Ihnen.


Bis zum nächsten Mal
Ihre Frau Biedermann

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