Montag, 7. August 2017
persönliche Erfahrungen mit den Mühlen der Justiz
Kurt Tucholsky, der sein Jurastudium kurz vor dem Ersten Staatsexamen abbrach, war der Ansicht: "Juristerei ist keine Wissenschaft. Sie ist bestenfalls ein Handwerk." So wie man kein Ernährungswissenschaftler sein muss, um eine schmackhafte Mahlzeit auf den Tisch zu bringen, und kein Kfz-Ingenieur, um Autoreifen zu wechseln, braucht man kein studierter Jurist zu sein, um vor Gericht zu seinem Recht zu kommen. Dieser Blog ist mehr als ein reiner Erfahrungsbericht; er ist eine Art Vorlesung , wie man als Laie das Juristenlatein, das jederzeit in Juristenidiotie umschlagen kann, entziffert und sein eigener Anwalt wird. Das größte Problem dabei ist nicht die Recherche, denn heute findet man alles im Internet, sondern zu verstehen, was man findet. Um das, was man als für sich passend ausgewählt hat, vor Gericht erfolgreich an den Mann zu bringen, braucht man dann nur noch einen richtigen Hintern in der Hose. Und den habe ich.

Bitte beachten: Die ausgiebige und sorgfältige Recherche wird zugesichert, aber a) bezieht sie sich auf meinen speziellen Fall, über den ich noch berichten werde, und b) bin ich nicht zur Rechtsberatung befugt. Ich bin nur eine Frau Biedermann, keine Anwältin.

Ein weiteres gewichtiges Aber: Der Volksmund sagt nicht umsonst, dass wir vor Gericht und auf hoher See in Gottes Hand sind. Auch wenn Sie von Ihrem Recht voll und ganz überzeugt sind, entscheidet das Gericht oftmals anders und die Gründe dafür lesen sich wie böhmische Dörfer. Wenn Sie keine Gerichtserfahrung haben, werden Sie für den göttlichen Beistand dankbar sein, denn neben sitzt eine schwarz gewandete Gestalt. Das ist Ihr Anwalt, den Sie wegen des Anwaltszwangs benötigen. Ihnen gegenüber sitzt eine schwarz gewandete Gestalt. Das ist der Anwalt Ihres Gegners. Und vor Ihnen sitzt auf einem Podest eine weitere schwarz gewandete Gestalt, zu der Sie aufschauen müssen. Das ist der Richter.

Das ist die übliche Konstellation und damit sind die Juristen dem Recht suchenden Bürger schon allein zahlenmäßig überlegen. Aber Anwälte und Richter eint noch mehr, was die Unabhängigkeit der Justiz gefährdet: dieselbe Berufstracht, dieselbe meist unverständliche Fachsprache, dasselbe gesellschaftliche Umfeld, dasselbe Studium und ein ausgeprägter Korpsgeist.

Das schwarze Kittelchen geht auf den Alten Fritz zurück: "Wir ordnen und befehlen hiermit allen Ernstes, daß die Advocati wollene schwarze Mäntel ... zu tragen haben, damit man die Spitzbuben schon von weitem erkennt." Was das Studium betrifft: Sowohl der spätere Richter als auch der spätere Rechtsanwalt haben das Zweite Staatsexamen zu bestehen. Der kleine, aber feine Unterschied besteht darin, dass der spätere Richter das Erste und Zweite Staatsexamen mit Prädikat abzulegen hat. Das bedeutet nicht, dass alle Prädikatsabsolventen in den Staatsdienst gehen und keine Rechtsanwälte werden wollen. Rechtsanwälte gibt es wie Sand am Meer, meist ohne Prädikat, manchmal mit. Vom Feld-Wald-Wiesen-Anwalt, der seine Mandanten im verrauchten Hinterzimmer empfängt und nebenher Taxi fährt, um die Miete bezahlen zu können, bis hin zum hochgezüchteten und hochbezahlten Spezialisten in einer Hochglanzkanzlei ist alles vertreten, damit unverbesserliche Prozesshansel ihrer Streitlust ungehemmt frönen können.


Bis zum nächsten Mal
Ihre Frau Biedermann

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