Mittwoch, 16. August 2017
Anwalt Nr. 2 ...
... war ebenfalls kommunalpolitisch sehr engagiert und sogar im Kreisrat vertreten. Ansonsten kann man sich keinen größeren Gegensatz vorstellen als zwischen ihm und seinem Vorgänger. Anwalt Nr. 1 sah man den Drang nach Höherem schon von Weitem an; er war jung, schlank, elegant, eloquent und arrogant. Anwalt Nr. 2 war bullig und bärbeißig. Genau das, was ich brauchte, um die Winkeladvokaten meines Bruders in die Schranken zu weisen, als sie mich zwei Monate nach Erteilung des Erbscheins auf Erfüllung des Vermächtnisses zugunsten ihres Mandanten verklagten. Anwalt Nr. 2 war tatsächlich bärbeißig, nur leider nicht zu den Gegneranwälten, sondern zu mir.

Eine kleine Anekdote am Rande: Als die Anwälte meines Bruders den zweiten von insgesamt vier Prozessen gegen mich anstrengten, bezeichnete ich sie als Klaghaferl und bekam postwendend zur Antwort, sie würden mich verklagen, wenn ich das noch einmal sage.

Aber ich will nicht vorgreifen, sondern vorerst zusammen fassen: Der Idiot von Betreuungsrichter hatte sich allen Ernstes einreden lassen, er müsse nur eine resolute Frau mit Betreuerausweis und Aufenthaltsbestimmungsrecht ausstatten und schon dürfte "dieses Weibsstück" ungehindert bei uns einmarschieren und die Mutti abholen. Ferner schien ihn das Gerücht von meiner Ausschlagung davon überzeugt zu haben, dass sein Rechtsbruch unentdeckt bleibt. In einem funktionierenden Rechtsstaat hat ein Richter kein willfähriger Idiot zu sein, sondern sich sein Urteil unabhängig zu bilden und zwar auch und gerade dann, wenn die Anwälte eines Verfahrensbeteiligten einen politisch einflussreichen Freund haben. (Eine kleine Anmerkung am Rande: Der Begriff Idiot war in seiner ursprünglichen Bedeutung vollkommen neutral und unterschied lediglich den Unkundigen vom Sachkundigen.)

Im Nachhinein stellte sich heraus, dass Anwalt Nr. 2 ein guter Bekannter von der rechthaberischen Frau war, die das Amtsgericht Freising zur Betreuerin bestellt hatte. Als ich mit dem Erbschein endlich Einsicht in die Betreuungsakten nehmen durfte, fand ich darin eine Aufstellung über das Vermögen der Mutti vom 24.09.2009 mit Stichtag 14.04.2009. Diese Aufstellung enthielt das Wohngrundstück der Mutti, eine kleine Eigentumswohnung, die sie sich von ihrem Ersparten gekauft hatte, zwei Girokonten, ein Aktiendepot und drei saure Wiesen, die zu der kleinen Landwirtschaft der Großeltern väterlicherseits gehörten. Das knapp 5000 qm große Wohngrundstück war meinem Bruder per Erbvertrag gegen "Wart und Pflege" als Vorausvermächtnis zugesichert und eine Menge Geld wert, denn es liegt im Speckgürtel rund um den Franz-Josef-Strauß-Flughafen im Erdinger Moos. Das Girokonto bei der Sparkasse Freising befand sich mit rd. 15.000,00 € im Plus, das Girokonto bei der HypoVereinsbank mit rd. 16.000,00 € im Minus. Das Aktiendepot war bis auf einige Ladenhüter leer geräumt, denn die Mutti hatte nach Auskunft der HypoVereinsbank "lt. telefonischem Auftrag" an einem einzigen Tag Aktien im Wert von rd. 100.000,00 € verkauft und mit dem Geld eine Lebensversicherung auf Rentenbasis zugunsten ihres Sohnes abgeschlossen. Kurze Zeit später stieg der Sohn vom Begünstigten zum Versicherungsnehmer auf. Im Februar 2009 ließ sich mein Bruder die gesamte Versicherungssumme auszahlen.

Die Bankdepots, auf denen die über Jahrzehnte angesammelten Ersparnisse der Mutti und ihre über Jahrzehnte nicht versteuerten Spekulationsgewinne bis heute angelegt sind, fehlen aus gutem Grund in dieser Aufstellung. Genau hier liegt das Problem der Organe der Rechtspflege: Der gerichtlich bestellten Betreuerin musste am Ende der Betreuung die Schlussrechnung erlassen werden, weil jeder wusste, dass ihre Vermögensaufstellung zu Beginn der Betreuung unvollständig war.


Bis zum nächsten Mal
Ihre Frau Biedermann

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